Aus einem starken Bedürfnis nach ausgleichender Bewegung durch überbetonte Kopflastigkeit
fand ich 1978, während meines Theologie-Studiums, den Weg zum Hatha Yoga.
Das hinduistische Körper-Geist-Seele-Prinzip
wirkte sich sofort wohltuend und nachhaltig auf meine Lebens-Führung aus.
Ich begann kontinuierlich und mit kleinen Schritten
meinen Körper als Tempel meiner Seele zu pflegen und zu reinigen.
Zwanghafte Ess-Gewohnheiten lösten sich auf.
Täglich tat ich etwas für mich. Meine Ungeduld wich.
Das Wohl-Fühlen in mir drin nahm zu.
Trotz des zweigeteilten Deutschlands waren in Berlin vom Westen her
Shiatsu, Zen-Buddhismus, Tai Chi und Qi Gong durch die Mauer gedrungen
und fielen in der alternativen Pantomimen-Szene Ost-Berlins auf fruchtbaren Boden.
Ich praktizierte all diese Dinge regelmäßig; allein, in Gruppen
und gab in Rostock weiter, was ich in Berlin gelernt und erfahren hatte.
Mit wenig Aufwand an Werbung fanden besonders meine siebentägigen Tai Chi-Kurse
in Häusern auf dem Lande großen Zuspruch aus der ganzen DDR.
Die Erinnerung an diese Kurse erfüllt mich noch heute mit Glück und gibt mir nachhaltig Kraft. Ebenso geht es vielen Teilnehmer/innen, von denen einige ihr Leben von Grund auf änderten
und zum Teil selbst Tai Chi-Zentren gründeten.
Die Staatssicherheit war als beobachtendes Element allgegenwärtig.
Etwa die Hälfte der Kursteilnehmer/innen hatten Ausreise-Anträge gestellt.
Trotz Bespitzelung setzte ich meinen Weg fort. Nichts konnte mich zurückschrecken;
noch nicht einmal das zeitweilig schlechte Gewissen meinen Kindern gegenüber.
Denn ich war allein erziehende Mutter und erstebte die Frei-Beruflichkeit
einer darstellenden Künstlerin.
Außer dem Reiz des im Osten Verbotenen hatten sich mir neue Wege und Welten eröffnet,
die mir jedoch im Innersten vertraut waren.
Diese neuen Tore ermöglichten es mir, aus dem Alltag aus zu treten,
weit zu „reisen“ und doch da zu sein; eigentlich erst jetzt „da zu sein“.
Ich bewegte mich auf einen offenen, grenzenlosen Horizont zu;
war frei und leer in Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit.
Ich begann, dem Klang des Moments zu lauschen.
Das Gehör, der Geschmack, der Speichel- und Drüsen-Fluss werden sofort angeregt,
richtet sich die Wahr-Nehmung auf das So Sein im Körper.
Die Achtsamkeit auf die gegenwärtigen, stark verlangsamten,
in ihrer Feinheit so überaus starken Bewegungsabläufe entspannt den Geist
und entlässt die Gedanken aus ihrem alltäglichen Kreis.
Die Seele bekommt Raum und wird weit.
Der Atem fließt und pulsiert im Auf und Ab von Fülle und Leere.
Tun und Nicht Tun ruhen im Gleichgewicht.
Die Gelenke folgen dem Bewegungsimpuls wie Glieder einer Kette.
Die Füße verwurzeln im Boden. Das Schädeldach wächst in den Himmel.
Die Wirbelsäule richtet sich auf. Die Säfte fließen wie im Baum zwischen Himmel und Erde.
Die Antennen werden ausgeführt in die vier Himmels-Richtungen
und gelangen vom Mikro- in den Makro-Kosmos; in Harmonie. (Kosmos heißt Ordnung)
Die Traditionen des Yoga, Qi Gong und Tai Chi stammen aus uralter Zeit.
Sie beinhalten profundes Wissen über Mensch, Tier (Tier-Symbolik), Natur und Universum.
Dieses Wissen wird in den Zellen des Übenden aktiviert.
In bestimmten Lebensmomenten, besonders nach Krisen,
wurde mir der unschätzbare Wert dieser asiatischen Überlieferungen neu bewusst.
Wohin ich auch gehe, diesen Schatz trage ich stets in mir.
Dieser Schatz gewinnt mit den Jahren an Tiefe; er kennt kein Alter und keine Grenze.
Als Künstlerin und Tänzerin dient mir dieser Schatz als Grundlage meiner Kreativität.
Wertvolle Perlen der Kette Yoga, Tai Chi Qi Gong in Stichpunkten:
erhöhte Wahrnehmung, Gegenwärtigkeit, gerichtete Aufmerksamkeit, Meditation
Reinigung und Pflege des Körpers als Tempel der Seele, Erneuerung
Vertiefung der Atmung, vermehrte Durchblutung, Abtransport von Schlacken,
Verjüngung, Beweglichkeit, Elastizität, Heilung
Ruhe in Bewegung, Harmonie der Gegensätze Yin und Yang
Verbundenheit Mensch Tier Natur Himmel Erde, Mikro- und Makro – Kosmos